Im Deutschunterricht haben wir die Geschichte "Der Sandmann" von E.T.A Hoffmann gelesen, die erstmals 1816 veröffentlicht wurde. Wir haben das Buch gemeinsam in der Klasse besprochen und analysiert, wie zentrale Motive wie das Unheimliche, die Auflösung der Grenze zwischen Realität und Fantasie sowie die Psyche des Protagonisten in diesem Werk dargestellt werden.
Die Geschichte "Der Sandmann" handelt von dem Studenten Nathanael, der mit traumatischen Erinnerungen aus seiner Kindheit zu kämpfen hat. Diese Kindheitserinnerungen drehen sich vor allem um die bedrohliche Gestalt des unheimlichen Sandmanns, der angeblich Kinder besucht, um ihnen die Augen auszustechen. Im Laufe der Geschichte wird deutlich, dass Nathanaels Kindheitserinnerungen ihn in den Wahnsinn treiben. In seinem Kopf verschwimmen die Grenzen zwischen Realität und Fantasie und er verliert zunehmend den Bezug zur Wirklichkeit. In der Geschichte gibt es zwei gegensätzliche Perspektiven. Auf der einen Seite steht Nathanaels Verlobte Clara, die für Vernunft und Rationalität steht. Auf der anderen Seite steht Nathanael mit seiner Angst und seinem Glauben an das Unheimliche. Die Geschichte zeigt uns, wie zerbrechlich der menschliche Verstand ist und wie schnell man in den Wahnsinn abrutschen kann. In der Geschichte begegnet Nathanael der mechanischen Puppe Olimpia, die von dem Wissenschaftler Spalanzani geschaffen wurde. Nathanael verliebt sich in sie, ohne zu wissen, dass sie kein Mensch ist. Die Entdeckung, dass Olimpia ein Automat ist, zerstört Nathanaels Weltbild und verstärkt seinen psychischen Verfall.
Aus dieser Geschichte kann man einige Parallelen zur heutigen Entwicklung der künstlichen Intelligenz ziehen. Hoffmann thematisiert in «Der Sandmann» Aspekte, die in der aktuellen Debatte um KI und Robotik sehr wichtig sind. Olimpia verkörpert sowohl die Faszination als auch das Unheimliche menschenähnlicher Maschinen. Dies ist ein Thema, dass in unserer Zeit an Bedeutung gewinnt. Die Menschen sind fasziniert über die schnellen Fortschritte in der Technologie. Insbesondere durch KI und Roboter, die immer menschenähnlicher wirken und agieren. Diese Fortschritte wecken nicht nur Begeisterung, sondern auch Ängste. Es kommt vor, dass Menschen Emotionen und menschliche Eigenschaften auf KI-Systeme projizieren, obwohl diese keine echten Gefühle besitzen. Diese Projektionen können zu einer Verzerrung der Realität führen, ähnlich wie es Nathanael widerfährt. Er hat die Bilder seines Innern auf Olimpia projiziert. Er spiegelt sich in ihr wieder und findet dort so zu sagen sein verlorenes Selbst. Die Zerstörung des Automaten Olimpia führt demnach zur Zerstörung Nathanaels. Die Geschichte endet mit dessen Selbstmord. Dies kann als Warnung interpretiert werden. Eine zu starke Projektion menschlicher Eigenschaften auf KI-Systeme birgt das Risiko, die Grenzen zwischen Mensch und Maschine zu verwischen. Dadurch könnte die psychische und gesellschaftliche Balance verloren gehen.
Dabei stellt sich die Frage, wie weit die Ähnlichkeit zwischen Mensch und Maschine gehen darf. Die Leistungsfähigkeit moderner KI-Systeme nimmt stetig zu, was es immer schwieriger macht, Menschen von Maschinen zu unterscheiden. Durch die Verbesserung der KI-Systeme wird es zunehmend schwieriger Reales von Fiktivem zu unterscheiden. Die Grenze zwischen Realität und Fantasie verschwimmt, ebenso in Nathanaels Kopf. Diese verschwimmende Grenze kann zu Manipulation oder zum Verlust der Menschlichen Identität führen. Trotz aller potenziellen Gefahren bieten menschenähnliche Maschinen auch einige Vorteile, insbesondere im Bereich der Assistenz und Unterstützung. Sie können in der Pflege, im Kundenservice oder als Helfer in gefährlichen Situationen eingesetzt werden. Es ist jedoch entscheidend, klare Grenzen zu setzen, um zum Beispiel Missbrauch oder Abhängigkeit zu verhindern.
Olimpia kann somit als eine frühe literarische Auseinandersetzung mit Themen gesehen werden, die heute zentral für die KI- und Robotik Forschungen sind. Die Figur der Olimpia zeigt, dass es schon damals Ängste vor dem technologischen Fortschritt gab. Die grundlegenden Fragen, die mit diesem Fortschritt der Maschinen verbunden sind, sind sozusagen zeitlos. Meiner Meinung nach sollten Maschinen den Menschen zwar unterstützen, aber nicht das menschliche Bewusstsein wie Gedanken oder Emotionen ersetzten.
E.T.A. Hoffmann (2003): Der Sandmann. Text und Kommentar. Kommentiert von Peter Braun. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.
Abbildung: https://www.bitsathy.ac.in/the-evolution-of-humanoid-robots/